Love and Hockey 2: Matt & Maddie
Prolog
Wenn Madison James den perfekten Montagabend planen müsste, dann läge sie mit einem Tequila Sunrise in der Hand bei einem Liebesfilm auf der Couch. Sie würde sich Pad Thai vom Imbiss die Straße runter besorgen, ihr Handy ausstellen und im Schlafanzug mit ihrem Lieblingskissen kuscheln, während auf dem Bildschirm irgendwer seinen Seelenverwandten traf.
Heute war kein perfekter Montagabend.
Denn heute schrie Shakira ihr ins Ohr, dass ihre Hüfte nicht lügen würde, während Maddie sich durch die tanzende Menge zur Bar vorarbeitete und wünschte, ihre eigene wäre etwas schmaler. Dann würde sie jetzt nicht mit so vielen fremden Körpern kollidieren. Es roch nach Sonnencreme, süßen Drinks und Schweiß – der unverkennbare Duft einer jeden Bar am Santa Monica Pier – und Maddie wünschte, sie hätte die Erkältung von letzter Woche verschleppt. Dann könnte sie jetzt zumindest weniger gut riechen. Und hätte eine Ausrede gehabt, warum sie nicht kommen konnte.
Es lag nicht an der Bar an sich. Eigentlich mochte sie das Sunny Umbrella. Es lag keine zehn Meter von ihrer Partnervermittlungsagentur entfernt und wenn sie etwas trinken ging, dann hier. Es war schlichtweg, dass Maddie verdammt müde war und nur noch ihre Couch und dann ihr Bett hatte sehen wollen, nicht ihre Schwester. Außerdem ging sie wochentags normalerweise nie aus. Weil …
»Was machst du denn hier? Ich dachte, unter der Woche in eine Bar zu gehen, wäre der frustrierte Hilfeschrei eines jeden Singles? Außerdem können sich diesen Luxus nur reiche Menschen und Studenten leisten, weil jeder andere vernünftige Mensch früh ins Bett muss?«
Ja, genau aus dem Grund. »Hey, Tara«, meinte sie lächelnd und nickte der Kellnerin zu, die sich gerade hinter die Bar quetschte. »Kann ich einen Tequila Sunrise und ein neues Paar Trommelfelle haben? Ihr dreht die Musik hier viel zu laut.«
Tara lachte und tauchte unter die Theke, sodass ein paar Sekunden lang nur ihr Afro zu sehen war, bevor sie mit einem Cocktailglas in der Hand wieder auftauchte. »Oh, Maddie. Du bist achtundzwanzig und hörst dich an wie meine Oma.«
»Wieso, trinkt die auch gern Tequila Sunrise?«, fragte sie unschuldig.
Tara prustete. »Nein, aber sie schlägt mit ihrem Krückstock gern den Putz von der Decke, wenn die Jungs in der Wohnung über ihr zu laut aufdrehen.«
Nun, das würde Maddie nicht passieren. Sie wohnte im obersten Stockwerk. »Hört sich nach einer klasse Person an, deine Großmutter. Würde sie gern mal kennenlernen«, erwiderte sie fröhlich.
»Das glaub ich. Also, bist du nur hier, um dich über unsere Musik zu beschweren? Oder suchst du heute ausnahmsweise mal deinen Traumprinzen, nicht nur den für alle anderen?«
Gott, nein. In Letzterem war sie so viel besser. »Ich bin heute nicht im Auftrag der Liebe da. Aber hey, wenn du dich bei uns anmelden willst …«
»Nein, danke.« Tara zog eine Grimasse, während sie ein Schirmchen in Maddies Tequila Sunrise schob. »Wenn ich doch mal mehr als eine solide nackte Nacht suche, sag ich dir sofort Bescheid. Aber wenn du nicht nach neuen Klienten suchst, was machst du hier?«
»Treff mich mit Lucy, hast du sie gesehen?« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und blickte über die tanzende Menge zu den paar Tischen an der Wand.
»Oh, ja.« Tara grinste breit und wackelte mit den Augenbrauen. »Sie ist mit einem muskulösen Halbgott hier.«
Maddie seufzte innerlich. Natürlich war sie das. Wenn Lucys Leben ein Buch wäre, dann eines über griechische Mythologie. Die Anzahl der Halbgötter, die in ihrem Leben – und in ihrem Bett – ein- und ausgingen, war beeindruckend.
»Sie sitzen draußen auf der Terrasse. Wo deine Ohren hoffentlich etwas geschont werden.«
Na, wenigstens etwas. »Alles klar, danke. Und oh, draußen vor eurer Tür steht doch so eine wunderschöne Sitzbank, mit grünem Samt überzogen …«
»Haben wir ausrangiert. Kommt auf den Sperrmüll.«
Maddies Herz machte einen freudigen Hüpfer. Dieser Abend wurde doch noch gut! Sie liebte alte Möbel mit Geschichte, die sie dann polieren und in neuen Glanz hüllen konnte. »Nein, sie kommt zu mir in den Flur!«
Tara lachte und schob ihr den Cocktail über die Theke. »Umringt von heißen Kerlen und Frauen und du schmachtest ein totes Stück Holz an.«
»Ein totes, mit grünem Samt überzogenes Stück Holz!«
»Ja, ja. Das ändert natürlich alles. Nimm sie gern mit, ist nur ganz schön schwer.«
»Das krieg ich schon hin!« Lucy konnte schleppen helfen. Als Dank dafür, dass Maddie hier war, obwohl ihr Bett nach ihr rief. Aber ihre kleine Schwester hatte heute einen neuen Job angefangen, dessen erster Tag wohl nicht ganz so glimpflich verlaufen war. Zumindest hatte sie am Telefon sehr wütend geklungen. Also war sie jetzt hier. Weil sie unfähig dazu war, ihrer Familie auch nur die kleinste Bitte abzuschlagen.
Sie zahlte für den Cocktail und wollte sich gerade wieder durch die Tanzmenge in Richtung des Innenhofs schlagen, als sich ein dunkelhaariger Hüne in ihren Weg stellte.
»Hey, Süße«, sagte er und hob einen Mundwinkel. »Bist du …«
»… nicht interessiert?«, ergänzte sie lächelnd. »Ja. Woher wusstest du das?«
Der Typ blinzelte mit offenem Mund und sie wartete nicht darauf, dass eine Fliege hineinflog. Stattdessen ließ sie ihn stehen und kämpfte sich nach draußen vor. Sie würde ihren Mann fürs Leben nicht in einer Bar kennenlernen. Erstens war das unromantisch und zweitens waren die Kerle hier nicht an was Ernstem interessiert. Und das war alles, was ein Mann bei ihr bekommen würde. Für immer und ewig. Nichts anderes. Bisher hatte sie das nicht deutlich genug kommuniziert – zumindest, wenn man ihrem einzigen Ex-Freund Glauben schenken konnte – und den Fehler würde sie nicht noch einmal machen.
Ihre Schwester hingegen war da anders gepolt.
Maddie trat auf die von Palmen umgebene Terrasse und fand Lucy innerhalb weniger Sekunden. Was nicht an ihrer roten Mähne, sondern vielmehr an dem Mann lag, der mit ihr am Tisch saß.
Wow. Halbgott war akkurat. Oder war Adonis ein ganzer Gott gewesen? Wie auch immer. Der Kerl neben ihrer Schwester hatte ein scharf geschnittenes Michelangelo-Kinn, breite Ken-Schultern, blonde Surfer-Haare und ein teuflisches 100-Watt-Lächeln, das sicherlich Höschen schmelzen lassen konnte. Im übertragenen Sinne.
Er sah aus wie einer der vielen Strand-Prolls in Santa Monica, die sich den ganzen Tag am Muscle Beach anglotzen ließen und stolz ihr Eightpack präsentierten. Kategorie: Heißer Volltrottel.
Klasse. Es war also einer dieser Freunde. Hätte ihre Schwester sie nicht vorwarnen können? Maddie hatte wenig Lust, mit einer von Lucys Eroberungen herumzuhängen. Sie würde das dritte Rad am Wagen sein, während die beiden neben ihr verbales Vorspiel betrieben und immer wie rein zufällig die Oberschenkel aneinanderrieben.
Maddie seufzte. Aber jetzt war sie schon hier. Ihre Uhr zeigte kurz nach neun, also wäre es um halb elf nicht mehr unhöflich, wieder zu gehen. Zumindest saßen ein paar Frauengruppen in Reichweite. Falls Lucy und Macho-Man beschäftigt waren, könnte sie ihre Zeit damit verbringen, die Singles darunter für Match Me! zu rekrutieren. Die Agentur stand gerade noch am Anfang und konnte jeden Kunden gebrauchen.
»Oh, Maddie«, sagte Lucy strahlend und sprang auf, kaum dass ihre Schwester den Tisch erreichte. »Ich hab nicht damit gerechnet, dass du wirklich kommst!«
Ja, sie auch nicht. »Hey. Du hast dich am Telefon aufgebracht angehört, ich wollte dich nicht allein lassen.« Sie drückte ihre Schwester kurz an sich, bevor ihr Blick zu dem fremden Blonden glitt, der ihr jetzt, da er sie aus braunen Augen fixierte, vage bekannt vorkam. »Aber offensichtlich bist du das ja nicht.«
»Ja, das ist Matt. Er schuldete mir einen Drink, also hab ich ihn auch eingeladen«, meinte Lucy leichthin und wedelte mit der Hand zu seinem Gesicht. »Matt, das ist meine Schwester Madison.«
»Hey, Madison«, antwortete der Halbgott schief lächelnd, seine Stimme dunkel und ruhig, stand auf und reichte ihr die Hand. »Nett, dich kennenzulernen.«
Maddies Magen machte einen Hüpfer, als er seine großen, warmen Finger um ihre schloss und ihr Blick auf seine sehnigen Unterarme fiel. Oje. Er war ein heißer Volltrottel mit Manieren. Die gefährlichste Sorte Mann.
Man musste es Lucy lassen: Ihr Geschmack war tadellos. Solange man nur ein paar heiße Wochen mit jemandem verbringen wollte. Was Maddie nicht tat.
Sie räusperte sich und ließ hastig seine Hand los. »Maddie. Alle nennen mich Maddie. Und ebenfalls erfreut.«
»Was ist mit dir, nennen dich deine Freunde Matty?«, wollte Lucy grinsend wissen und zog Maddie einen Stuhl heran. »Dann wäre ich heute mit Maddie und Matty unterwegs.«
Matt verzog das Gesicht und rieb sich über das stoppelige Kinn. »Scheiße, nein. Niemand außer meinen Schwestern darf mich Matty nennen.«
»Und für mich machst du keine Ausnahme?«, fragte Lucy übertrieben echauffiert und legte eine Hand auf ihre Brust.
»Nope.«
Maddie zwang sich zu einem Lächeln. Die Flirterei fing also schon an. »Wo habt ihr beide euch kennengelernt?«
»Auf der Arbeit«, erwiderte Lucy.
Maddie weitete die Augen. »Oh.« Eigentlich hatte ihre Schwester strenge Regeln, wenn es darum ging, Arbeit und Privatleben zu trennen. »Und ihr beide seid …«
»Ihh, nein!«, sagte ihre Schwester entsetzt. »Er ist Eishockeyspieler, Maddie. Du kennst meine Einstellung dazu.«
Maddie blinzelte verwirrt, studierte den blonden Mann … und wusste auf einmal, warum er ihr bekannt vorkam. Natürlich. Er war Matthew Payne. Flügelstürmer bei den L.A. Hawks. Sie hatte ihn ohne Visier fast nicht erkannt. »Also seid ihr wirklich nur als Freunde hier«, stellte sie erleichtert fest und entspannte sich augenblicklich. Das würde den Abend angenehmer machen.
»Natürlich!« Lucy sah sie immer noch schockiert an. »Ich würde niemals etwas mit dem Eisheini hier anfangen.«
»Vielen Dank, leg doch noch ein bisschen mehr Ekel in deine Stimme«, erwiderte Matt trocken und nahm einen Schluck Bier.
Maddie musste angesichts seiner verdrießlichen Miene lachen. »Nimm es nicht persönlich, Matt. Lucy hat da diese Regel: Sie fängt nichts mit Eishockeyspielern an.«
»Oh, das wird meinen Kollegen das Herz brechen«, sagte er seufzend. »Aber gut. Dann kann ich sie warnen.«
Lucy verdrehte die Augen und Maddie fragte breit lächelnd: »Und? Bricht es dir auch das Herz?«
»Nee.« Er grinste sie verschmitzt an, bevor er sich vorbeugte und flüsterte: »Ich steh mehr auf Brünette.«
Hitze stieg in Maddies Wangen und hastig strich sie sich ihre eigenen, braunen Haare hinter die Ohren. »Wow«, meinte sie dennoch. »Gab es die Anmache im Ausverkauf oder wie hast du sie so billig hinbekommen?«
Lucy lachte und zu ihrer Überraschung tat Matt es ihr gleich.
»Und da habe ich so lange vorm Spiegel geübt«, sagte er gespielt betroffen und legte leidend eine Hand auf ihre Schulter.
»Tut mir leid, da musst du noch mal üben«, erwiderte sie entschuldigend und ignorierte die Gänsehaut, die sich von seinem Zeigefinger aus über ihren Rücken fächerte. Dort, wo er nackte Haut berührte.
Ja, sie wollte nur etwas Ernstes, das bedeutete aber nicht, dass ihr Körper nicht manchmal den Spaß vermisste. Und nicht allzu intelligente Sportler waren gut darin, oder?
Ach, egal. Matt war nicht für sie bestimmt.
»Warum schuldest du Lucy einen Drink?«, fragte sie schnell, um vom Thema abzulenken.
»Ich hab ihr verraten, wo sie Dax Temple finden kann.«
»Was?« Sie verstand kein Wort.
»Unwichtig«, schaltete sich Lucy ein und biss die Zähne aufeinander. »Ich will diesen Namen heute Abend nicht mehr hören, verstanden? Eigentlich, wenn ich darüber nachdenke, könnte ich gut darauf verzichten, ihn jemals wiederzusehen.«
Liebe Güte, was hatte der Kerl angestellt? Lucy war wirklich nicht leicht aus der Fassung zu bringen. Sie war tough, scheute keine Konfrontation und nahm sich, was sie wollte. Eigenschaften, um die Maddie sie immer beneidet hatte.
»Das wird schwierig werden, da er Spieler ist und du seine PR-Beraterin bist«, gab Matt zu bedenken. »Aber hey, Dax hatte sicherlich nur einen schlechten Tag. Eigentlich ist er ein sehr korrekter Typ.«
»Also stimmt es, dass ihr beste Freunde seid?«, hakte Maddie nach. Das berichteten die Medien zumindest immer. Sie war kein so großer Hawks-Fan wie Lucy, doch früher waren sie mit der Familie jeden Monat zu einem der Eishockeyspiele gegangen. Bis ihre Mutter gestorben war. Sie verfolgte den Sport also noch lose. Weil er ihr ein warmes Gefühl in der Brust bescherte.
»Schuldig«, sagte Matt grinsend.
»Oh, Matt. Dein Männergeschmack ist furchtbar«, sagte Lucy bedauernd und stand auf. »Mir ist sogar ein bisschen übel geworden, deswegen gehe ich lieber kurz auf die Toilette.« Sie warf ihm noch einen tadelnden Blick zu, dann verschwand sie ins Innere der Bar.
Matt lachte leise und bei den rauen, dunklen Tönen richteten sich Maddies Nackenhaare auf. »Deine Schwester ist nicht schüchtern, was?«
»Oh, nein«, bestätigte Maddie … und dann wusste sie nicht, was sie sonst noch sagen sollte. Unsicher lächelte sie den viel zu gutaussehenden, reichen und auch noch berühmten Kerl an, und als einige schreckliche Sekunden lang unangenehmes Schweigen folgte, zog sie hastig das Handy aus ihrer Tasche. »Ich will nur kurz was …« Sie beendete den Satz nicht, sondern deutete auf ihr Display, bevor sie das Erstbeste bei Google eingab, das ihr einfiel.
Adonis Halbgott ganzer Gott?
»Ganzer Gott.«
Verwirrt blickte sie auf. »Was?«
»Adonis. Er war ein ganzer Gott. Zumindest, wenn es nach den Phrygerngeht.«
Maddie blinzelte. Äußerst merkwürdige Dinge kamen aus dem Mund des heißen Volltrottels mit Manieren. »Die Phryger?«
Matt grinste. »Ja. Das indogermanische Volk, das im achten Jahrhundert vor Christus ein relativ großes Reich im Zentrum Kleinasiens hatte? Er war ihr Vegetationsgott.«
»Aber …« Maddie hatte immer noch Schwierigkeiten damit, diese Worte mit dem unfassbar schönen Mann vor ihr in Verbindung zu bringen. »Ich dachte, er käme aus der griechischen Mythologie.«
»Ja, darüber streitet die Forschung immer noch. Die Phryger waren die Ersten, aber er wird auch in der griechischen wie römischen Mythologie erwähnt. Dort war er allerdings weder Halbgott noch richtiger Gott. Da war er einfach nur ein wunderschöner, aus Inzucht geborener Mensch, dem Aphrodite oder Venus – such dir was aus – verfiel. Bevor er dann von ihrem eifersüchtigen Mann Ares beziehungsweise Mars umgebracht wurde.«
Maddie stand der Mund offen, denn Mist! Er war kein heißer Volltrottel. Er war einfach nur heiß. Wie absolut unfair. »Woher weißt du das?«, fragte sie perplex.
Er hob die Schultern. »Hab Geschichte studiert. Fand Mythologie mit am spannendsten.«
»Du hast … studiert? So richtig mit Abschluss?« Selbst in ihren Ohren hörte sich ihre Stimme unfreundlich ungläubig an. Doch die meisten Sportler gingen doch nur zum Schein aufs College!
Matt grinste. »Meine Eltern haben drauf bestanden. Deswegen bin ich erst etwas später in die NHL gekommen und …« Er brach ab. Vermutlich, weil er mitbekam, wie sie immer verblüffter die Augen weitete. »Oh, Shit.« Er lachte laut auf. »Ich schockiere dich, oder? Du hast mich für dumm gehalten.«
Es war keine Frage. Es war eine Feststellung.
»Nein!«, sagte sie entsetzt und hob abwehrend die Hände – auch wenn es ein bisschen die Wahrheit gewesen war.
»Doch, hast du.« Sein Grinsen wurde breiter. »Aber mach dir nichts draus, du bist nicht die Erste.«
Ihre Wangen fingen Feuer. »Ich habe wirklich nicht … Ich meine, ich kenne dich nicht«, stotterte sie peinlich berührt.
Er schnaubte belustigt. »Ja, das hält immer alle davon ab, über einen zu urteilen, hast recht.«
Ihre Mundwinkel zuckten, bevor sie stöhnend tiefer in den Stuhl sank. »Oh Mann.« Sie seufzte und presste sich eine Hand aufs Gesicht. »Tut mir leid. Wirklich. Es ist nur: Lucy bringt öfter mal irgendwelche Kerle mit und die meisten sind mit Schönheit und einer Menge Muskeln, aber nicht mit Grips gesegnet. Ich konnte ja nicht ahnen, dass du alles drei besitzt.«
»So, so«, sang er. »Du bist also oberflächlich – und findest mich schön.«
»Ich bin nicht oberflächlich, nur klischeeaffin.« Sie linste zwischen ihren Fingern hindurch. »Und oh, bitte. Wenn du so viel mit deinem Spiegelbild geübt hast, wie du behauptest, weißt du das!«
Er lachte heiser auf. »Was genau bedeutet klischeeaffin?«, wollte er wissen. »Und falls es dich beruhigt, ich hab einen Ganzkörperspiegel über meinem Bett hängen, damit ich auch ja nichts von meiner Schönheit verpasse.«
Sie prustete – denn sie war ziemlich sicher, dass er gerade einen Witz gemacht hatte … oder? – bevor sie meinte: »Ich bin einfach anfällig für Vorurteile«, gab sie zerknirscht zu. »Aber ich hab nun mal den ganzen Tag mit Männern zu tun, die jedes Klischee erfüllen. Da es ist schwer, die Angewohnheit abzulegen, euch in Kategorien einzuteilen.«
»Und welche Kategorien sind das?«
»So ganz grob? Ehematerial oder Beziehungsphobiker.«
Matt verschluckte sich an seinem Bier und beugte sich hustend nach vorn, bevor er röchelte: »Du presst alle Männer, die du kennenlernst, sofort in die Traualtar- oder Nur ein paar Orgasmen-Schublade?«
Na, so hätte sie es jetzt nicht ausgedrückt …
»Es ist eine Berufskrankheit«, sagte sie hastig. »Ich habe gerade eine Partnervermittlungsagentur gegründet.«
Matt ließ die Flasche laut auf den Tisch sinken und blinzelte sie verwundert an. »Ernsthaft? Zu Tinder- und Grindr-Zeiten?«
Sie schluckte. Ja, er war nicht der Erste, der ihr das sagte. »Bei Tinder und Grindr suchen die meisten Menschen nicht nach der großen Liebe.«
»Na ja, aber der nächste Fick kann auch zur großen Liebe werden«, sagte Matt weise.
Sie zuckte anhand seiner Wortwahl zusammen. Er war vermutlich kein Romantiker. »Aber das tut er meistens nicht. Er befriedigt nur … kurz.«
Matt hob einen Mundwinkel und beugte sich langsam zu ihr vor, bis seine Finger gegen ihre stießen. »Aber er befriedigt. Wenn man es richtig macht«, wisperte er dann, sodass sein Atem über ihre Wange strich. »Das sollte man auch nicht verachten.«
Ihr Uterus geriet sofort in Aufruhr und ihre Haut fing an zu kribbeln. Sie nahm alles zurück: Er war doch ein heißer Volltrottel. Aber zumindest ein unterhaltsamer.
Hastig wandte sie den Blick ab. »Ja, vielleicht. Aber darum geht es mir nicht. Ich hab zusammen mit einer Freundin und meiner älteren Schwester, die Paartherapeutin ist, einen Fragebogen und einen Algorithmus entwickelt, der auf Langfristigkeit ausgelegt ist. Und ich hab meine Intuition. Ich bin ziemlich gut darin, zu sehen, ob jemand auf lange Sicht zusammenpasst. Tinder nicht.«
»Aha.« Matt wirkte immer noch skeptisch, nickte jedoch. »Und, bist du erfolgreich?«
Sie zog eine Grimasse. »Wir haben erst vor zwei Monaten gegründet, aber es sieht vielversprechend aus.«
Zumindest musste sie sich das weiter einreden. Ihr Konzept war gut. Ihr Algorithmus klasse. Rachel wusste, worauf es bei langfristigen Beziehungen ankam, und hatte einen bomben Fragebogen erstellt. Ihre Partnerin Hailey programmierte, seit sie zehn war. Und sie selbst konnte gut mit Menschen umgehen und sah auf hundert Meter, wer zusammenpasste und wer nicht. Es war eine Gabe. Sie brauchten nur noch einen kleinen Marketing-Boost, dann würde es schon klappen. Jedes Geschäft hatte zu Anfang Schwierigkeiten.
»Na dann.« Matt erhob sein Glas. »Auf vielversprechend.«
Er stieß mit ihr an und sie stürzte hastig den Tequila Sunrise hinunter. Das ganze Gerede über die Arbeit machte sie nervös.
»Hey, ich hab noch eine Frage. Wie kamst du gerade auf deine Adonis-Googleanfrage?«
»Nur so«, sagte sie hastig und hoffte sehr, dass er ihre glühenden Wangen einem schlimmen Sonnenbrand zuschrieb. »Recherche.«
Er hob einen Mundwinkel und fuhr mit seinem dunklen Blick ihr Gesicht hinab zu ihren Lippen. »Natürlich«, wisperte er.
Oje, das wurde viel zu unangenehm. Zeit, wieder das Thema zu wechseln.
»Also: Wie genau hast du dich von Lucy zum Mitkommen überreden lassen?« Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und zog die Hände vom Tisch. »Ein berühmter Eishockeyspieler hat doch bestimmt Besseres zu tun, als mit einer neuen Arbeitskollegin in Santa Monica etwas trinken zu gehen. Ist nicht eigentlich diese Ice Lounge beim Stadion der Mannschafts-Treff?« Zumindest war das der Ort, zu dem laut den Klatschnachrichten immer die Groupies fluteten.
Er zuckte die Schulten. »Ich hab ihr den Drink wirklich geschuldet und ehrlich gesagt finde ich es manchmal ganz schön, nicht nur mit dem Team unterwegs zu sein. Zusammen werden wir immer direkt erkannt und dann kommen irgendwelche Fans, zu denen ich nett sein muss, und mein Abend ist nicht mehr normal und entspannt, also …« Er lächelte, allerdings unsicher. Als habe er gerade etwas gesagt, das ihn eigentlich zu verletzlich machte. Er winkte ab. »Na ja. Etwas Ruhe ist manchmal ganz schön.«
Als hätte er sie mit seinen Worten heraufbeschworen, standen zwei College-Jungs ein paar Tische weiter auf und warfen ihm neugierige Blick zu. Matt ignorierte sie, obwohl sie so aufdringlich herüberschielten, dass Maddies Nacken anfing zu jucken.
»Ey, sind Sie nicht Matthew Payne?«, fragten sie im nächsten Moment aufgeregt.
Matt seufzte und setzte ein Lächeln auf. Doch bevor er den Mund öffnen konnte, kam Maddie ihm zuvor.
»Nee, ist er nicht.« Sie zog eine Grimasse. »Aber Freddie hört das ständig. Es sind die Haare. Der Rest des Gesichts ist leider nicht so hübsch wie das von Payne. Nichts für ungut, Freddie-Schatz.« Sie tätschelte entschuldigend seine Hand. »Ich meine, guckt genauer hin. Allein die Nase …«
Die Studenten blinzelten, beugten sich dann vor und machten: »Ups. Ja, voll. Sorry, dass wir gestört haben.«
Peinlich berührt hoben sie die Hand und trollten sich zurück zu ihrem Tisch.
»Freddie?«, hakte Matt interessiert nach.
»Was guckst du mich so vorwurfsvoll an? Es ist nun einmal deinName«, erwiderte sie unschuldig.
Er schnaubte, lächelte jedoch. »Ah ja. Und was ist falsch mit meiner Nase?«
»Sie ist riesig!«
»Mhm.« Er nickte betroffen. »Ja. Du hörst dich an wie die Hebamme bei meiner Geburt. Und meine Mutter. Und Dax. Und der Fotograf von der Sports Illustrated.«
Sie lachte laut. »Na, dann habe ich wenigstens nicht deine Gefühle verletzt.«
»Wenigstens das«, bestätigte er, prostete ihr zu und leerte sein Bier. »Aber danke.«
»Kein Problem«, erwiderte sie warm. »Jeder hat das Recht auf normal.«
»Damit widersprichst du allen anderen skandalgeilen Menschen auf dieser Welt.«
»Ach, ja. Ich bin eben ein richtiger Rebell«, log sie.
»Offensichtlich.« Sein Blick verhakte sich mit ihrem, sodass ihre Körpertemperatur sofort um zwei Grad stieg.
Als er nach dreißig wilden Herzschlägen immer noch nicht das Gesicht abwandte, fragte sie nervös: »Was?«
»Nichts. Du bist nur so anders als Lucy. Ich meine, ich kenne sie erst seit ein paar Stunden, habe aber jetzt schon ein wenig Angst vor ihr. Du bist … netter.«
»Netter.« Sie zog eine Grimasse. »Autsch.«
Leider wusste sie, was er meinte. Lucy war mutig. Auf Krawall gebürstet. Hasste es, ungerecht behandelt zu werden, und sprang kopfüber in jeden Streit. Maddie war … genügsamer. Sie hatte heute Morgen zwei Parkplätze abgegeben, die rechtmäßig ihr gehört hätten. Nur weil sie keine Lust auf die Konfrontationen gehabt hatte.
»Nett ist nicht schlecht«, sagte Matt sofort überrascht.
»Nein, natürlich nicht.« Sie winkte ab. Nett war einfach nur nett. Nichts Besonderes. »Also, was ist mit dir, Matt?«, fragte sie, weil es ihr unangenehm war, zu viel über sich selbst zu reden. »Kannst du nett sein?«
»Oh ja.« Er wackelte mit den Augenbrauen. »Sehr nett. Da kannst du jeden fragen.«
Sie lachte, ziemlich sicher, dass es jede heißen musste. Gott, er war vollkommen ungeeignet für Match Me. Leider. Ein prominenter Klientwürde ihnen vielleicht helfen, sich erfolgreicher gegen Tinder durchzusetzen.
Ihr Handy vibrierte und als sie auf die Anzeige schielte, sah sie eine Nachricht von Lucy: Hab ’nen süßen Typen an der Bar kennengelernt. Gebt mir eine Viertelstunde.
Sie seufzte. »Lucy braucht noch«, meinte sie dann und winkte mit dem Handy vor Matts Gesicht herum.
»Na, was soll’s. Dann nutzen wir die Zeit doch … für einen weiteren Drink?« Er deutete zu ihrem leeren Glas.
Zeit nutzen. Ja, sie wollte die Zeit nutzen. »Sag mal, Matt«, sagte sie aus einem Impuls heraus. »Funktionieren deine Muskeln oder sind sie nur Show?«
Er warf ihr einen ironischen Blick zu. »Sie funktionieren.«
»Wundervoll. Dann hättest du nicht zufällig Lust, mir kurz eine Bank, die ich auf’m Sperrmüll gefunden habe, in meine Wohnung zu tragen?«
Einen Versuch war es wert. Lucy war auch nicht die Stärkste. Zumindest, wenn es um Muskeln ging.
»Du willst … was? In deine Wohnung?«, fragte er etwas perplex, die Brauen überrascht gehoben.
»Jap, dauert nicht lang. Versprochen. Aber ich wohne im obersten Stockwerk und die Bank ist schwer.« Sie zuckte hilflos die Achseln. »Also, hast du Lust?«
Ihr Gegenüber blinzelte. »Ob ich Lust habe … die Bank«, wiederholte er tonlos.
Warum sah er sie so komisch an?
»Ja.«
»Okay.« Er räusperte sich und rieb sich über den Nacken. »Klar.«
Erleichtert atmete sie auf. »Danke!«, sagte sie und drückte seine Schulter. »Du bist genau der Mann, den ich heute gesucht habe.«
»Aha«, wiederholte er und hob einen Mundwinkel, bevor er sich ebenfalls erhob und ihr in die Bar und dann zur Tür hinausfolgte.
Es war eng im Tanzbereich und Matt griff nach ihrer Hand. Wahrscheinlich, um sie nicht zu verlieren. Auch wenn es sie irritierte, dass er mit dem Daumen Kreise über die dünne Haut ihres Handgelenks zog. Aber vermutlich war er in Gedanken versunken.
Sie lächelte ihm über die Schulter zu und quetschte sich nach draußen. Eine frische Brise wehte ihr entgegen und der Mond spiegelte sich auf dem Meer vor ihnen. Sie wurde es nie leid, direkt an der Uferpromenade zu wohnen.
»Also«, sagte Matt leise, drehte sie um und trat einen Schritt auf sie zu. »Die Bank.« Er glitt mit der Hand ihren Arm hinauf.
»Jup«, sagte sie und nickte zum besagten Möbelstück. Merkte er, dass ihr etwas kalt war, oder warum legte er jetzt auch die andere Hand auf ihren Arm? Er musste aufhören, denn die Gänsehaut auf ihrem Rücken war nicht dem kalten Wind geschuldet. »Sie steht direkt da.«
Matts Mundwinkel zuckten. »Mhm, sehr gut. Dann tragen wir sie besser. Aber erst …« Seine große, warme Hand glitt in ihren Nacken und Maddie vergaß zu atmen.
Mit dem Daumen fuhr er zu ihrem Kinn und jetzt sah er in ihre Augen. Sein Blick wurde … dunkler. Maddies Herzschlag beschleunigte sich, während er sich zu ihr herunterbeugte …
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