Schweigend liefen sie nebeneinander her, ihre Gesichter von der gnadenlos brennenden Sonne abgeschirmt, der Sand unter ihren Füßen knirschte.
Nym war bereits in Amrie gewesen. Mehrfach. Sie wusste nicht mehr wieso, aber sie wusste, dass sie dort gewesen war.
Sie kannte die flachen Dächer, die nur ab und zu von einer rötlichen Kuppel unterbrochen wurden. Kannte die breiten hölzernen Docks, die vor der Stadt lagen und die sie von hier aus in den Appo hineinragen sehen konnte. Sie war sich auch sicher, dass sie schon einmal den alten, vergoldeten Leuchtturm bestiegen hatte, der einzige, der im großen Krieg nicht niedergetrampelt worden war.
Amrie war eine Stadt aus Sand und Stein. Viele der Häuser waren einmal weiß gewesen, doch mit den Jahren und durch die ständigen Böen, die die kleinen geschliffenen Steine an ihre Außenwände pressten, waren sie vergilbt und versandet. Mittlerweile war ihre Farbe fast nicht mehr von dem Boden zu unterscheiden. Die Häuser schienen einfach aus dem Sand emporzuwachsen.
Entgegen der sonstigen Vorliebe der Götter umgab Amrie keine Mauer, was Nym zugegebenermaßen doch etwas wunderte. . Es gab zwar ein Tor, das in das Herz der Stadt führte, doch dieses war eher symbolisch, als dass es tatsächlich eine Funktion erfüllte.
Kutschen fuhren an Levi und Nym vorbei. Eine, fünf, fünfzehn – irgendwann hörte Nym auf zu zählen. Der Hafen Amries, der sich von den alten Docks aus immer weiter an das nördlicher gelegene Ufer der Stadt verlagert hatte, war der einzige, der Bistaye mit Waren von außerhalb der Sieben Mauern belieferte. Von Wein, Gewürzen und Lebensmitteln über Teppiche bis zu Nutztieren war alles dabei. Hundertzweiundzwanzig Kutschen verließen und erreichten die Stadt im Durchschnitt pro Tag. Die meisten davon nutzten das Osttor und die direkte Verbindung in die Vierte Mauer, um ihre Waren ans Ziel zu bringen. Nur wenige der importierten Dinge fanden überhaupt den Weg in die Äußeren Mauern.
Eine Gruppe Soldaten ritt an ihnen vorbei, und automatisch sah Nym auf den Appo und die Schiffe hinaus, die sie in einiger Entfernung anlegen und wieder ablegen sah. Erst als das Hufgetrappel verstummt war, richtete sie ihren Blick wieder nach vorne und merkte, dass Levi es ihr gleichgetan hatte.
Sie sahen sich kurz an, bevor Nym ihren Blick hastig auf die Rücken der Soldaten heftete, die schließlich zwischen den steinernen Festen des Tores verschwanden. Der Eingang konnte nun keinen Kilometer mehr von ihnen entfernt sein. Die hohen Steintürme waren bereits mit roten Tüchern umschlungen. Das durften die ersten Vorbereitungen für das Fest der Götter sein, das in ein paar Tagen stattfinden würde.
Doch Nyms Gedanken waren immer noch bei den Soldaten. Unvermeidlich dachte sie an die Augen derjenigen zurück, die sie bei der versuchten Durchsuchung der Kutsche zurechtgewiesen hatte. Was sie beunruhigte, war nicht der Respekt in ihren Augen gewesen, sondern die Angst. Als könnte sie ihnen wehtun, wenn sie ihr nicht gehorchten.
Sie fragte sich, ob sich ein Mensch durch den Verlust seiner Erinnerung so sehr verändern konnte. Sie empfand keinen Spaß oder gar Genugtuung bei dem Gedanken daran, dass andere Angst vor ihr haben könnten. Aber konnte es sein, dass es eine Zeit gegeben hatte, in der es ihr gefallen hatte? Dass sie dieses Gefühl der Macht nicht nur als praktisch angesehen, sondern auch genossen hatte?
Aber vielleicht war das auch alles Blödsinn. Vielleicht hatten die Soldaten sie verwechselt.
Na ja. Das zu denken war vielleicht noch blödsinniger.
„Was glaubst du, wer ich war, Levi?“ Sie hatte die Frage gestellt, bevor ihr bewusst wurde, dass ihr die Antwort wichtig war. Ihre Worte waren kaum ein Flüstern gewesen, aber aus den Augenwinkeln konnte sie sehen, wie ein Muskel an seinem Kiefer zuckte. Er hatte sie gehört.
„Mich interessiert nicht, wer du warst, Nym. Das sagte ich doch bereits. Ich denke, dass du zumindest irgendetwas mit der Göttlichen Garde zu tun haben musstest – und das sollte auch dir jetzt klar sein. Doch solange ich mir sicher sein kann, dass du jetzt hinter mir stehst, dass du jetzt jemand anderes bist, ist es mir egal. Bist du jetzt jemand anderes, Nym?“
Ihre trockenen Lippen schienen aufeinanderzukleben. Sie hatte keine Antwort auf diese Frage.
„Jemand anderes als was, Levi?“, murmelte sie, die Kapuze leicht von ihrer bereits verschwitzten Stirn hebend. „Wie soll ich die Frage ehrlich beantworten, wo ich doch nicht weiß, wer ich mal gewesen bin? Ich kann nicht mehr sagen, als dass ich euch helfen will, die Rebellen aus der Vierten Mauer nach Asavez zu geleiten.“
Ein Lächeln huschte über Levis Züge, und zu gerne hätte Nym gesehen, ob es seine Augen erreichte, doch die waren im Schatten unter der Kapuze verborgen.
„Das reicht mir“, stellte er fest. „Mehr kann ich wohl von keinem Mitglied unserer Gruppe verlangen.“
Sie nickte leicht, doch wusste nicht, ob sie genauso dachte. Vielleicht lag Levi falsch. Vielleicht sollte er mehr von der Gruppe verlangen.
Eine Windböe erfasste sie und Nym konnte sehen, wie Levi kaum merklich die Hand hob, sodass der ihnen entgegenschlagende Sand ihre Gesichter nie berührte. Ein paar Minuten später liefen sie durch das hohe Steintor, durch das sich trotz der Tatsache, dass zu beiden Seiten eine freie Fläche war, die man hätte durchqueren können, überraschend viele Menschen drängten.
Levi hatte recht behalten. Mit ihren großen Kapuzen und den weiten Umhängen fielen sie nicht im Geringsten auf. Entweder waren Schleier der neueste Modetrend in Amrie oder aber die Leute wollten lieber anonym bleiben und den Vorurteilen gegenüber den Mauern entkommen. Unter einem weiten Mantel konnte sich ein Bettler verbergen, doch hier würde er nicht anders behandelt werden als ein Adliger. Nun gut, wenn er kein Geld hatte, dann wahrscheinlich schon.
Levi lief geradeaus weiter, folgte schlicht der Menge und Nym wusste, wohin die gerade Hauptstraße führen würde.
Auf Amries Marktplatz, den größten in Bistaye. Der perfekte Ort, um etwas zu stehlen.
„Vielleicht wäre es gar nicht so schlecht, noch eine Karte der Inneren Mauern zu stehlen“, murmelte Levi, den Kopf gesenkt.
Von der Idee her war das nicht dumm, nur … „Ich habe eine Frage, Levi. Warum stehlen wir nicht einfach Geld und benutzen dann dieses Geld, um den Rest zu kaufen?“
„Das könnten wir tun, aber je weniger Leute uns sehen, desto besser.“
„Und wie hast du vor, Kleidung, Geld und eine Karte unter deinem Umhang zu verstecken, ohne dass es auffällt?“
Er schnaubte. „Glaub mir, ich hab schon sperrigere Sachen gestohlen. Das sollte kein Problem sein. Warum, glaubst du, sind die Umhänge so weit? Zur Not dränge ich sie einfach dir auf und du tust so, als würdest du ein Kind erwarten. Wir sind eine glückliche, kleine Familie!“
Nym musste sich stark am Riemen reißen, um nicht in lautes Gelächter auszubrechen. „Natürlich. Wir zwei sind das Bild einer puren Idylle!“
„Wer sagt, dass eine glückliche, kleine Familie idyllisch sein muss?“
„Ich glaube so ziemlich jeder.“
„Dann hat so ziemlich jeder keine Ahnung davon, was man braucht, um glücklich zu sein.“
Überrascht über den Biss hinter dieser Aussage hob Nym den Kopf, um Levi anzusehen. „Und du hast Ahnung davon?“
Er erwiderte ihren Blick nicht, und Nym hatte das vage Gefühl, dass Levi froh darum war, dass sie sein Gesicht nicht erkennen konnte. „Ich kann dir nur sagen, dass diejenigen, die sagen, ihr Leben sei idyllisch, alles, aber nicht glücklich sind.“
„War das bei deiner Familie so?“ Die Frage war Nym herausgerutscht, bevor sie weiter über dessen Bedeutung nachdenken konnte.
Levi antwortete nicht, sondern nickte nach vorne und murmelte: „Wir sind da.“
Ein Meer aus Ständen erstreckte sich vor ihnen, jeder mit einem bunten Tuch überdeckt. Doch die Tücher spannten sich nicht nur über die Marktbuden, sondern auch über die Wege, die dazwischen herführten, und spendeten den Einkäufern so Schatten. Und hier gab es Massen an Menschen, die Schatten für sich beanspruchten. Männer mit Turbanen und verschleierte Frauen, Mädchen, die kaum mehr als einen Fetzen Stoff trugen. In Mäntel und Umhänge gehüllte Gestalten und Menschen, die ihr Gesicht jedem zeigten, der es nicht sehen wollte. Das Gemurmel der Menge vermengte sich mit dem Geschrei der Verkäufer, und wenn Nym zu lange an eine Stelle sah, dann schien die Umgebung zu einem Meer aus unscharfen, sich bewegenden Farbflecken heranzuwachsen.
Verkauft wurde alles. Von Fisch, der die Luft mit Salz zu füllen schien, über Tonkrüge bis zu Unmengen an Teppichen, Stoffen und sogar Tieren. Nym erhaschte einige Blicke auf Vierbeiner, die sie glaubte noch nie in ihrem Leben gesehen zu haben. Ziegen, die den Schweif und die Mähne eines Pferdes zu zieren schien, und gehörnte Katzen, die einen Schrei ausstießen, sobald sie ihre kleinen Mäuler öffneten. Nicht weit zu ihrer Rechten konnte sie sogar einen Kräuterstand sehen, der, wenn sie sich nicht täuschte, verbotene Mixturen verkaufte. Sie betrachtete ein Fläschchen, das mit einer hellvioletten Flüssigkeit gefüllt war, und sofort schoss ihr ein Schwall an Informationen in den Kopf. Literio – der leise Tod. Gewonnen aus einer Pflanze, deren Stachel bei bloßer Berührung töten konnten. In dieser verflüssigten Form jedoch dauerte es einige Wochen, bis es sich durch das gesamte System des Opfers gefressen hatte. Leiser Tod hieß es deswegen, weil man die Symptome kaum als solche erkannte. Man sprach sie einer allgemeinen Konzentrationsschwäche und zu hoher Belastung zu und nicht etwa dem Gift. Die Muskeln wurden schwer, während das Gift das Blut des Opfers verseuchte, und anfing, die Organe zu lähmen. Das Gift verursachte Gleichgewichtsstörungen. Kleine Kreislaufzusammenbrüche. Halluzinationen, die an Träume erinnerten, die die dunkelsten Ängste hervorbrachten – die furchtbarsten Erinnerungen des Unterbewusstseins. Doch ansonsten ging es einem wunderbar – bis es zu spät war, man sich nicht mehr richtig bewegen konnte und man langsam und still, wenn auch schmerzlos starb. Bis zum heutigen Tag, war kein Gegengift bekannt.
Nym schüttelte sich. Auf manche Informationen aus ihrem Kopf konnte sie wirklich verzichten. Zeit, über etwas anderes nachzudenken.
„Wie gehen wir vor?“ Sie versuchte zu flüstern, doch verstand ihre eigene Stimme in dem Lärm nicht. Deswegen wiederholte sie die Worte in normaler Lautstärke, ihren Kopf fast an Levis Wange gepresst.
Levi legte einen Arm um sie, vielleicht damit es nicht allzu merkwürdig aussah, wenn sie ihre Köpfe so nah aneinandersteckten. Es war Nym auch egal – nicht egal war ihr allerdings, dass ihr Körper ihr zuflüsterte, dass er sie doch noch ein wenig enger an sich ziehen solle. Ihr Körper erinnerte sich sofort an den Abend vor ein paar Tagen, an dem er so eng an Levis gepresst gewesen war, dass keine Luft mehr zwischen sie gepasst hatte.
„Wir suchen einen Stand, der alles zu bieten hat, was wir brauchen … und wie wäre es dann mit einer deiner feurigen Einlagen?“
„Einer meiner feurigen Einlagen?“ Nym konnte eines von Levis Messern gegen ihre Hüfte drücken spüren.
„Mach einfach irgendwo ein Feuer – nah genug natürlich – und lenk so die Leute ab. Nur zur Sicherheit, damit ich auch wirklich nicht erwischt werde.“
„Hast du Erfahrung im Stehlen?“
„Du meinst außer Herzen?“
Oh Mann. Er war wirklich ein Idiot. „Schön. Improvisieren wir einfach.“ Nym hatte das Gefühl, dass das ohnehin Levis Stärke war.
„Exzellente Idee.“ Er ließ seinen Arm fallen und dirigierte sie mit einem leichten Schulterstoß von der Hauptstraße weg, zwischen einem Vieh- und einem Tonhändler hindurch.
Sein Blick schweifte zwischen den Ständen hin und her, bis er endlich gefunden zu haben schien, was er suchte. Auch Nym erkannte eine gute Möglichkeit, wenn sie sich bot.
Zu ihrer Rechten stand ein Schmuckhändler – der höchstwahrscheinlich eine Menge Geld in seiner Kasse und in seinem Beutel hatte –, während genau neben ihm ein weiterer Händler Kleidung verkaufte. Von Adelskleidung bis zu einer ledernen Rüstung besaß er alles, was irgendwer sich jemals hätte wünschen können. Eine Karte von Bistaye war nicht zu entdecken, aber die könnte man auch noch woanders herbekommen.
„Darf ich mir wenigstens aussuchen, was du für mich klaust?“, fragte Nym leise und tat so, als würde sie sich etwas von dem Schmuck ansehen.
Sie konnte Levi leise lachen hören. „Aber wo wäre denn da der Spaß? Ich wette, so ganz in Leder siehst du gut aus.“
Er beäugte die lederne Kampfausrüstung, die so eng an Nyms Haut anliegen würde, dass ihr sicher das Atmen schwerfallen würde. „Hast recht. Damit würde ich bestimmt nicht auffallen.“
Sie konnte Levi unter der Kapuze breit grinsen sehen. „Ich werde schon was Passendes finden. Der Stoffhändler hinter dir … ich glaube, ihn würde es nicht allzu sehr treffen, wenn ein paar seiner Stoffe verbrennen.“
„Er wird in Panik ausbrechen. Er wird sich das plötzliche Feuer nicht erklären können.“
„Ein bisschen Panik wäre für unsere Zwecke gar nicht blöd. Aber gib mir etwas Zeit, Kleider herauszusuchen.“
Nym legte den Kopf schief und tat so, als würde sie sich für einen blauen Edelstein interessieren, der direkt vor ihr lag. „Woher soll ich wissen, wie lange du zum Aussuchen brauchst? Deine modische Zielsicherheit wage ich anzuzweifeln.“
Schnaubend zwickte Levi ihr in die Seite. „Genug mit den Beleidigungen. Warte ein paar Minuten. Das wird schon klappen.“
So langsam aber sicher ging Nym Levis Einstellung auf die Nerven. Bei ihm „klappte schon alles“ und „würde schon hinhauen“. Nur weil er mehr Glück als Verstand hatte, hieß das nicht automatisch, dass alles, was er anfasste, funktionierte. Ein bisschen Planung würde ihm manchmal guttun. Vielleicht musste er einfach mal ordentlich auf die Nase fallen, damit er aufwachte. Das aber am besten nicht, wenn irgendwer anderes gefährdet war. Sie zum Beispiel.
Trotz einiger kalter Fäuste, die sich durch ihren Magen zu arbeiten schienen, folgte Nym Levis Anweisung und trat von dem Schmuckstand zu dem gegenüberliegenden Tisch, auf dem Stoffe ausgelegt worden waren.
Nym fuhr mit der flachen Hand über die verschiedenen Muster und Fasern, während ihre Augen über die kleinen Schilder huschten, die dem Kunden angaben, um was für Stoffe es sich handelte. Sie lief zum äußersten Tisch, auf den ein Streifen Sonne durch die oberen Tücher fiel.
Wie viel Zeit war jetzt wohl schon vergangen? Und wie viel Kleidung wollte Levi stehlen? Für sie alle auf einmal? Oder wollte er noch ein anderes Mal losziehen?
Ihre Finger glitten über die Schilder, bis sie auf dem obersten hängen blieben.
Hundert Prozent Schafswolle stand darauf.
Das war perfekt. Wolle brannte, aber nicht so gut, dass der Schaden zu groß werden würde. Außerdem ging sie schnell in Flammen auf, löschte sich aber fast wieder von selbst. Sie würde nicht allzu viele andere Stoffe mit dem Feuer anstecken.
Sie wartete noch einige Augenblicke, sah sich verstohlen zu ihren Seiten um, wo Kunden angestrengt damit beschäftigt waren, die Preise hinunterzufeilschen.
Sie könnte eine Ecke ankokeln, weiterlaufen und von dort aus die Flammen weiter vorantreiben. Wenn erst einmal ein Feuer brannte, konnte sie es beliebig kontrollieren.
Sie legte einen Finger an die Kante des Stoffes, ließ sie ihr Blut heiß werden, bis sie das vertraute Brennen unter ihrer Haut spürte und der erste, schüchterne Funke übersprang.
Es gab nur ein Problem.
Der Händler musste gelogen haben … Der Stoff schien zu mindestens neunzig Prozent aus Papier zu bestehen! Zumindest ging der Stoffballen so enthusiastisch in Flammen auf, dass Nym erschrocken einen Schritt zurück machte. Sie wollte die Flammen etwas eindämmen – hatte aber nicht mit dem heftigen Windstoß gerechnet, der vom Meer her zwischen den Ständen hindurch wehte.
Ja, sie konnte Feuer kontrollieren … aber nur, wenn ihr die Natur nicht hineinpfuschte!
Sie drängte sich zurück in die Menschenmenge, die angefangen hatte durcheinanderzuschreien und vor dem Feuer zurückzuweichen, das durch den Wind auf eines der Tücher, die sie überdachten, übergegangen war. Innerhalb von Sekunden waren zwei weitere in Brand gesteckt, während die Standbesitzer schreiend unter ihnen hinwegtauchten – und dann deutete plötzlich jemand in ihre Richtung.
„Sie war es! Sie, im dunklen Umhang!“
Panik flutete ihre Brust, doch bevor sie darüber nachdenken konnte, was sie tun sollte, legte sich eine Hand um ihren Oberarm und riss sie mit einem kräftigen Ruck fast von den Füßen. „Jetzt ist der Moment, in dem wir abhauen sollten!“, konnte sie Levi in ihr Ohr knurren hören, und das musste sie sich nicht zweimal sagen lassen.
Seine Hand fand ihre und mit den Schultern voran drängte er sich durch die Menge. Die meisten Menschen waren so verwirrt und in den Bann des Feuers gezogen, dass sie einfach nur stur stehenblieben und die Flammen angafften. Die Schreie der vereinzelten Händler, die Nym als die Schuldige erkannt hatten, gingen in den verängstigten und gleichzeitig faszinierten Rufen unter und keiner ihrer Verfolger schaffte es, sich erfolgreich zu ihnen vorzukämpfen.
Immer mehr Menschen drängten ihnen entgegen auf das Feuer zu, wollten sehen, woher der Aufruhr und der dichte schwarze Rauch kamen. Levi warf keinen Blick zurück, er lief weiter, tauchte mit ihr in der Menge unter und verschmolz mit der Masse.
„Denkst du nicht, du hast es etwas übertrieben?“, knirschte er durch die Zähne hindurch, während sie auf das Ende des Marktplatzes zusteuerten.
„Du sagtest: Mach ein Feuer!“, wehrte sie sich sofort.
„Ja! Ein niedliches, kleines Feuer, zu dem die Menschen hinschauen. Kein Waldbrand!“
„Ich hätte es kontrollieren können, aber das wäre zu auffällig gewesen. Da war der Wind, und wenn ich angefangen hätte, mit den Armen rumzufuchteln und konzentriert das Feuer anzustarren, hätte sofort jeder gewusst, dass ich eine Ikano bin. Es war Pech!“
„Natürlich. Du …“
„Dort hinten!“, brüllte jemand und das Geräusch von klirrendem Metall drang an Nyms Ohren. Das Geräusch, das ihr genauso vertraut schien wie die Linien auf ihrer Handinnenfläche. „Schwarzer Umhang! Schwarze Kapuze!“
„Scheiße!“, fluchte Levi laut und fing an zu rennen.
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